BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

GEIST

 

 

Was ist eigentlich der Geist?

Der Geist hat viele Dimensionen. Am Ende ist der Geist nicht fassbar. Man kann nicht sagen: Das ist der Geist! Man kann den Geist nicht eingrenzen.

Aber der Geist funktioniert auf verschiedene Weise. Geist ist zum Beispiel das Bewusstsein. Das Bewusstsein ist eine Manifestation des Geistes, die es erlaubt, sich einer Sache bewusst zu werden, bewusst Formen und Farben zu sehen, bewusst Töne zu hören. Das ist eine Form des Geistes. Es gibt andere Formen des Geistes: Ein Geist, der sich nicht einfach damit zufrieden gibt, die Gegenstände, die Gedanken, die Wahrnehmungen zu erkennen. Das ist der Geist, der die Dinge intuitiv wahrnimmt, der Geist der Weisheit. Immer noch der gleiche Geist, der aber auf eine andere Art und Weise funktioniert. Wie zum Beispiel ein Klavier: Auf einem Klavier kann man einen Militärmarsch spielen, aber auch einen Walzer von Chopin, man kann Jazz machen, man kann aber auch einfach nur Krach, indem man auf die Tasten haut. Der Geist ist wie ein Musikinstrument, das viele Saiten hat, viele Möglichkeiten, unterschiedlich zu funktionieren.

Es gibt beispielsweise den dualistischen Geist, der nach dem, was Neurologen sagen, ausgehend von der linken Gehirnhälfte funktioniert, der von der Sprache konditioniert ist. Entsprechend hat er die Gewohnheit angenommen, zu definieren. Die Sprache funktioniert über Worte, die die Wirklichkeit in kleine Stücke zerschneiden. Worte bauen auf Gegensätzen auf, sind dualistisch: Man lernt, das Gute und das Böse, das, was wahr ist, und das, was falsch ist, das Licht und die Dunkelheit, ich und du, usw. zu unterscheiden. Das ist die Funktionsweise des Geistes, die die Unterschiede erkennt.

Der Geist gibt in Zazen diese Funktionsweise auf und schafft keine Trennungen mehr. Er nimmt die andere Seite der Realität wahr, die Nicht-Dualität.

Das ist ein sehr weites Thema, man könnte einen Vortrag über den Geist halten. Es ist zum Beispiel interessant, dass im Chinesischen und im Japanischen das Wort für Geist Shin ist. Aber das Kanji Shin schließt viele Bedeutungen ein. Es begrenzt nicht. Es schließt all die Bedeutungen ein, von denen ich schon gesprochen habe, den gewöhnlichen Geist, den dualistischen Geist, das Bewusstsein. Man spricht auch vom Geist Buddhas, vom Geist der Erweckung und auch von dem Geist, der dem Unbewussten entspricht, d.h. dem Geist, der alle Erinnerung der Vergangenheit speichert. Das ist auch eine Form des Geistes, die Erinnerung an die Vergangenheit seit unserer Geburt, und sogar davor. Dann heißt Shin auch Energie. Nicht nur Geist, wie wir ihn begreifen, sondern auch Energie. Letztlich ist alles Energie, alles Geist, all diese Schwingungen, von denen ich gesprochen habe, alles das ist der Geist.

Aber gibt es einen universellen Geist, oder hat jeder seinen eigenen Geist?

Beides. Aber im allgemeinen sieht man nur seinen eigenen Geist. Aber unser eigener Geist ist ein bisschen wie die Spiegelung des Mondes auf einem Tautropfen. Man kann den kleinen Tropfen mit der Widerspiegelung des Mondes betrachten, das ist der individuelle Aspekt, aber wenn man zum Himmel aufschaut, kann man das beobachten, was sich in jedem widerspiegelt.

Eine Praxis wie Zazen hilft uns, mit dem Universellen in uns in Kontakt zu treten, mit unserem universellen Geist, und die Grenzen unseres kleinen Egos zu überschreiten, unserer geistigen Kategorien, unseres engen Geistes. Das ist der universelle Geist, der sich in jedem von uns widerspiegelt.

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Was ist der Geist?

Der Geist ist unfassbar. - Es gab bereits eine derartige Frage. Ich habe schon über die zahlreichen Aspekte des Geistes gesprochen. Der Geist funktioniert nicht immer gleich. Was man am Ende wahrnehmen kann, sind Funktionsweisen des Geistes. Den Geist selbst kann man niemals fassen. Manchmal hat man Gedanken. Man denkt nach, der Geist manifestiert sich. In anderen Momenten empfindet man Gefühle, eine andere Funktionsweise des Geistes. In diesem Fall ist der Geist eher das Herz. In wieder anderen Momenten praktiziert man Zazen und realisiert einen Geist, der sich mit nichts identifiziert.

Man kann immer das Wirken des Geistes spüren, aber nicht die Quelle. Den Geist selber kann man nicht erfassen. Aber man kann sehen, wie er funktioniert. Die Quelle ist nicht fassbar. Daher sagt man, dass die Quelle rein ist. Zur reinen Quelle zurückkehren heißt, zu diesem Geist zurückzukehren, den man nicht greifen und nicht definieren kann. In der Zazen-Praxis ist dies sehr wichtig. Aus diesem Grund kann deine Frage nicht beantwortet werden. Würde man sagen, der Geist ist dies oder das, wäre es eine sehr schlechte Antwort. Ich hoffe, du erwartest nicht eine derartige Antwort.

Ich glaube zu verstehen, dass eine Antwort mit Worten nicht gegeben werden kann. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass trotzdem aufgrund der Praxis eine Ahnung besteht, dass es etwas gibt, was man so nicht beschreiben kann und was man den Geist nennt. Aber dennoch besteht die Sehnsucht zu beschreiben, um zu dem Zustand der reinen Quelle zurückzukehren.

Meister Wanshi und Meister Dogen haben viele Jahre damit verbracht, über diesen reinen und unfassbaren Geist zu sprechen. Sie haben ihn aber nie beschreiben können. Es gibt Bilder, die eine Vorstellung davon geben, worum es sich handelt. Aber vor allem haben sie die Weise gelehrt, wie man praktiziert, die Möglichkeit, selbst einen Geist zu erfahren, der von allen Identifikationen befreit ist, einen offenen, freien, nicht starrem Geist.

Ist Zen nicht eher eine Praxis als eine Beschreibung eines kosmischen Systems?

Ja, Zen ist sicherlich eher eine Praxis. Aber das heißt nicht, dass es in dieser Praxis keine Realisierung eines kosmischen Prinzips gibt. Aber es ist sehr schwierig, dieses kosmische Prinzip mit Worten zu beschreiben, weil es zu umfassend ist. Man kann es daher besser durch die Praxis mit dem Körper und mit der Atmung erfahren, indem man die mentale Funktionsweise aufgibt, die immer etwas beschreiben und in Kategorien fassen will. Dann funktioniert der Geist auf eine andere Art, ein intuitiver Geist, der direkt die Wirklichkeit so empfindet, wie sie ist, und der nicht mehr die Notwendigkeit spürt, alles mit Wörtern zu beschreiben oder Etiketten aufzukleben.

Das Wichtigste ist doch: Wie funktioniert man eigentlich? - Im Zen geht es nicht darum, sich eine Idee von der Wirklichkeit zu machen, so wie sie ist, keine Art Philosophie oder Konzeption, sondern um die Frage: „Wie lebt man wirklich in jedem Augenblick?“, „Wie funktioniert man?“, „Wie benutzen wir unseren Geist?“, „Wie funktionieren wir mit unserem Körper und unserem Geist in jedem Augenblick?“ - Das ist am Wichtigsten.

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Ist der Begriff „reiner Geist“ nicht ein Begriff zuviel? Ist es nicht so, dass es nur die Manifestation des Lebens gibt, so wie es ist?

Der reine Geist ist ein Teil der Manifestation des Lebens.

Das ist klar. Aber warum sprichst du darüber? Ist es das Mitgefühl, das dich veranlasst vom reinen Geist zu sprechen?

Es ist nicht nur Mitgefühl, aber es hat mit Mitgefühl zu tun. Diesen reinen Geist wiederzufinden und so gut wie möglich mit ihm in Kontakt zu leben, ist die grundlegende Quelle der Befreiung. Es gibt keine andere Befreiung. Es ist das Wesentliche der Zazen-Praxis, unseren Geist von allen mentalen Erzeugnissen zu befreien, die uns hindern, in Kontakt mit der Realität zu sein, mit der tiefsten Realität, der Realität der Nicht-Getrenntheit.

Man kann also sagen, dass das Leben selbst Nicht-Getrenntheit ist. Aber der Mensch hat nun mal einen Geist, der weiter entwickelt ist als bei anderen Lebewesen. Dieser Geist machte Entwicklungen durch und hat wahrscheinlich aufgrund der Sprache eine sehr dualistische Funktionsweise angenommen. Die linke Gehirnhälfte, der die Sprache zugeordnet ist, hat sich besonders entwickelt. Aufgrund der Überentwicklung dieser Funktionsweise des Geistes gibt es einen grundlegenden Aspekt des Lebens, den man nicht mehr sieht, den man vergessen hat. Wir sehen alles durch unsere mentalen Kategorien und durch den dualistischen Geist. Dadurch schaffen wir viel Leiden in unserem Leben für die anderen.

Natürlich ist es ein Akt des Mitgefühls, die Rückkehr zum reinen Geist zu unterweisen, aber es geht auch um Mitgefühl sich selbst gegenüber, denn man muss es verwirklichen. Es ist kein geeignetes Mittel wie ein Spielzeug, mit dem man Kinder erheitert. Es ist eine wirkliche Erfahrung. Jeder kann diese Erfahrung machen. Ihr müsst mir nicht glauben. Es gibt Augenblicke, in denen man den reinen Geist hat, und andere, in denen man in Schwierigkeiten, in Dualismen gerät. Manchmal müssen wir uns dahinein begeben, wenn wir konkrete Probleme des Alltags zu lösen haben. Aber es ist wichtig, den Kontakt mit dem reinen Geist wiederzufinden. Es ist die einzige Möglichkeit, unsere existentiellen grundlegenden Probleme lösen und das Leben beschützen zu können. Wenn das Leben auf der Erde bedroht ist, so deshalb, weil wir den Kontakt mit dem reinen Geist verloren haben. Kein anderes Lebewesen auf der Erde hat das Leben derart bedroht wie der Mensch, und das deshalb, weil wir den reinen Geist verloren haben.

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Wenn ich Zazen mit einem falschen Geist beginne, um zum Beispiel ein angenehmeres Leben führen zu können, ist es dann nicht so, dass die Praxis, wenn sie richtig ist, diesen Geist verändert?

Ja, das ist möglich. Aber es ist schwierig eine richtige Praxis mit einem falschen Geist zu haben. Was bedeutet es, eine richtige Praxis zu haben? - Oft glauben die Leute, dass sie, wenn sie eine gute Haltung haben, wenn sie gut atmen, dann eine gute Praxis haben und der Geist dann automatisch richtig wird. Das stimmt überhaupt nicht: Man kann eine sehr gute Haltung haben, man kann sehr, sehr, sehr tief ausatmen und trotzdem viele Täuschungen nähren.

Die richtige Praxis beinhaltet drei Elemente und die völlig voneinander abhängig sind: Körperhaltung, Atmung und Geisteshaltung. In der Geisteshaltung ist der Mushotoku-Geist sehr grundlegend. Wenn es nicht diese Dimension des Mushotoku-Geist gibt, geht man in die falsche Richtung, so sehr man sich auch anstrengt, so kraftvoll die Konzentration auch ist. Man kann natürlich hoffen, dass, wenn man fortfährt zu praktizieren, die Selbstbeobachtung uns zu einem bestimmten Zeitpunkt uns unseres Irrtums bewusst werden lässt selbst wenn man viele Täuschungen hat. Aber das ist schwierig.

Der Grund, weshalb eine Unterweisung erforderlich ist, ist uns daran zu erinnern, dass es Fallen auf dem Weg gibt und dass es manchmal schwierig ist, sie selbst zu sehen. Dahingegen kann man, wenn man die Unterweisung hört - oder sogar wenn man die Unterweisung von Meister Deshimaru studiert, von Dogen, oder die Sutren - plötzlich verstehen kann: „Ah, bis jetzt habe ich mich völlig getäuscht, bin in die völlig falsche Richtung gegangen.“ Oft brauchen wir jemand anderen, der uns das zeigt. Das ist der Grund, weshalb die Beziehung Meister-Schüler, aber auch die Beziehungen zwischen den Mitschülern in der Sangha wichtig sind. Um einander wechselseitig zu helfen, die Fallen besser zu sehen, in die man gerade hineinzufallen droht.

Selbstverständlich hast du recht: Die Praxis erlaubt es auch, die Irrtümer zu sehen. Aber das kann sehr lange dauern und man kann viel Zeit verlieren, denn im allgemeinen nährt, wenn man sich auf dem Weg täuscht, ein Irrtum den nächsten. Das ist ein Teufelskreis. Um da heraus zu kommen, muss man einen Schock von außen bekommen.

Man kann sich nicht vornehmen, einen Mushotoku-Geist zu bekommen. Man muss es ja irgendwie lernen.

Ja. Aber wenn man von der Richtigkeit der Mushotoku-Unterweisung überzeugt ist, weiß man, dass man Mushotoku nicht ergreifen, nicht erlangen möchte. Denn das wäre ja etwas paradox. Ganz im Gegenteil würde uns das ermutigen, unablässig diesen Geist in uns fallen zu lassen, der immer etwas ergreifen möchte. D.h. die Unterweisung von Mushotoku kann wie ein Licht sein, das unsere Täuschungen erhellt. Unsere Zen-Praxis ist nicht, etwas erhalten zu wollen, sondern immer wieder fallen zu lassen. Das kann man praktizieren: fallenlassen. Erhalten ist nicht möglich, denn es gibt nichts zu erhalten. Was essentiell ist, ist bereits vorhanden. Die Bewegung, etwas erhalten zu wollen, verhindert die Realisation. Das wird wie eine Wolkenbank zwischen uns und der Sonne. Man sieht die Sonne nicht mehr. Es geht nicht darum, die Sonne zu erzeugen und sie zu ergreifen, sondern darum, die Wolken wegzufegen, die Wolken vorüberziehen zu lassen.

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Du hast einmal gesagt, dass der gewöhnliche Geist Buddha ist. Ich mache einen Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Geist und dem Geist Buddhas, dem Geist des Bodhisattvas.

Der Geist des Bodhisattvas unterscheidet sich natürlich vom gewöhnlichen Geist, wenn man den gewöhnlichen Geist als den gierigen, egoistischen Geist ansieht. Der gewöhnliche Geist, von dem ich gesprochen habe, ist nicht der Geist in diesem Sinn, sondern der Geist, der sich in der alltäglichen Praxis manifestiert. Er manifestiert sich, wenn man aufhört, Trennungen in der Praxis vorzunehmen: Wenn man Blumen wässert, Holz hackt, Essen zubereitet, ohne sich zu sagen: „Die Praxis ist eigentlich etwas anderes.“

'Der Alltag ist der Weg’ bedeutet, den Weg nicht irgendwo anders, irgendwo außerhalb zu suchen. 'Gewöhnlicher Geist’ bedeutet: kein besonderer Geist. Aber es ist nicht der Geist des Egos.

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Was manifestiert sich im Geist, was manifestiert sich im Körper und wie ist das beides miteinander verbunden?

Es manifestiert sich viel. Darüber hinaus ändert sich das ständig. Im Geist sind es Gedanken, Gefühle, manchmal Wünsche. Im Körper sind es eher Empfindungen und Wahrnehmungen. Zwischen beiden besteht eine wechselseitige Abhängigkeit: Unsere körperlichen Empfindungen beeinflussen die Art und Weise, wie wir denken, aber umgekehrt beeinflusst auch die Art und Weise, wie wir denken, unseren Körper. Wenn man z.B. sehr depressiv denkt, verliert man den Appetit. Wenn man immer Angst und Stress hat, führt das zur Übersäuerung des Magens und dann möglicherweise zu einem Geschwür. Zwischen beiden besteht also eine Abhängigkeit.

Wenn man Zazen praktiziert, benützt man diese wechselseitige Abhängigkeit von Körper und Geist und kann sie tief empfinden. Sich auf diese Weise hinzusetzen und sich auf die unbewegliche Haltung des Körpers zu konzentrieren, ohne zu angespannt oder zu entspannt zu sein, sondern im Gleichgewicht, hilft die Stabilität des Geistes zu finden. - Wenn man z.B. im Liegen meditiert, schlafen die meisten Leute ein. Es ist sehr schwierig im Liegen zu meditieren. Aber wenn man wirklich auf die sitzende Haltung konzentriert ist, beeinflusst das den Geist. Das heißt nicht, daß es alle Probleme des Geistes löst, der Beleg dafür ist, daß viele Leute mit Sanran fortfahren. Aber es ist auf jeden Fall eine Hilfe.

In der Zen-Praxis legt man großen Wert darauf, mit dem Körper zu praktizieren. Wenn man zum Körper zurückkehrt, ist der Geist normalerweise viel gegenwärtiger, denn der Körper ist immer da, wo er ist, der Körper ist hier und jetzt. Selbst wenn in unserem Körper Spuren von unserem ganzen vergangenen Leben vorhanden sind, Schmerzen, die auf frühere Unfälle zurückzuführen sind, lebt der Körper hier und jetzt, während der Geist immer dem Hier und Jetzt entweicht. Er denkt an etwas anderes, an davor oder danach. Es hilft in dieser Situation, die geistige Haltung zu korrigieren und den Geist zur Erfahrung des Körpers, der in Zazen sitzt, zurückbringen. Das hilft, gegenwärtiger, achtsamer zu sein.

Und selbst wenn, wie eben schon angesprochen, alle möglichen Gedanken auftauchen, kann man sich von ihnen lösen, wenn man seine Aufmerksamkeit eher auf die Körperhaltung als auf die Gedanken legt. Statt von seinen Gedanken angezogen zu werden, kann man sie sehen und vorüber ziehen lassen. Das ist das grundlegende Prinzip von Zazen. Deshalb benutzt man den Körper.

Auch im Alltag ist es gut, wenn man geht, sich wirklich auf das Gehen zu konzentrieren Wenn man isst, auf das Essen. Soweit wie möglich zur Achtsamkeit auf die Körperhaltung zu zurückzukehren, hilft den Frieden des Geistes zu finden.

Wenn das nicht reicht, kann man den Geist nutzen. Aber das ist schwieriger. Es ist schwieriger, die spirituellen Probleme mit dem Geist zu lösen, denn man läuft Gefahr in Kompliziertheit einzutauchen. Das ist manchmal wie Feuer mit Feuer löschen zu wollen. Aber es geht. Vor allem, indem man die rechte Beobachtung praktiziert. D.h. indem man sich die Frage stellt - wie ich eben schon sagte: „Was ist das?“ - Ich glaube, man sollte den Geist nicht benutzen, um irgendwelche Theorien und Erklärungen zu entwickeln, sondern um sich die richtige Frage zu stellen, die Frage, die wie ein Schwert ist, das die Kompliziertheiten durchtrennt.

Dogen sagte, dass es manchen Wesen nicht gelingt, das Erwachen in ihrem Leben zu realisieren, weil sie nicht dahin gekommen sind, die wirkliche Frage zu stellen. Sie stellen sich alle möglich Fragen, tausende von Fragen: „Warum dies?“, „Warum das?“, wie Kinder. Aber die wesentliche Frage stellen sie sich nicht. In dem Augenblick kann man nicht erwachen. Also es ist eine gute Verwendung deines Geistes, herauszufinden was die wirkliche Frage deines Lebens ist.

Man sollte nicht Zazen auf die Haltung reduzieren. Es gibt viele Leute, die sagen: „Zazen ist einfach eine Körperhaltung. Der Godo hat gesagt, der Körper ist sehr wichtig.“ Nein: Körper und Geist, gemeinsam. Aber die Konzentration des Geistes auf den Körper ist eine große Hilfe, um den Geist zu klären.

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Was ist Geist?

Wer stellt die Frage?

Niemand.

Warum fragst du das?

Ich arbeite mit Menschen, die als geisteskrank bezeichnet werden, und meine mich erinnern zu können, dass du in einem Mondo gesagt hast, dass diese Menschen nicht geisteskrank sind, sondern das dass Werkzeug des Geistes krank ist.

Das ist letztlich die Frage: Was ist gesunder Geist, was ist kranker Geist.

Ich glaube, dass es nur einen einzigen Geist gibt, dass dieser Geist aber auf unterschiedliche Weise funktioniert. Man kann auf die Frage, was Geist ist, viele unterschiedliche Antworten geben, weil es viele Arten von Geist gibt. Aber letztlich kann keine Antwort wirklich den Geist definieren. Deshalb sagt man, dass der Geist letztlich nicht fassbar ist.

Im Buddhismus macht man häufig keinen Unterschied zwischen Geist und Bewusstsein. Geist ist sich etwas bewusst zu sein, eines Gegenstandes, einer Wahrnehmung, einer Empfindung, eines Gedankens. Das ist eine Form des Geistes. Der Geist als Bewusstsein, man könnte fast als Spiegel sagen. Außer, dass dieser Spiegel auch über Erinnerungen verfügt. Er ist nicht völlig rein. Das bedeutet, dass der Geist als Bewusstsein in dem Umfang, wie er diese vergangenen Erfahrungen speichert, der Erfahrung eine bestimmte Form aufzwingt.

Was Geisteskranke anbetrifft: Bei Leute, die Neurosen oder Psychosen haben, ist es so, dass der Geist die Welt nicht so widerspiegelt, wie sie fast alle anderen sie sehen. Sie sehen die Welt durch ihre eigenen Projektionen hindurch. In dem Sinne kann man sagen, dass ihr Geist krank ist. Aber ist er grundlegend krank?

Da gibt es unterschiedliche Ebenen: Die Ebene sich dessen bewusst zu sein, was ist, sich der Realität bewusst zu sein, wie sie ist, die ist mit Sicherheit krank. Aber es gibt noch eine andere Funktion des Geistes, die das alles umfasst und die sich zugleich mit nichts identifiziert. Diese Funktion kann meiner Meinung nach nie krank sein.

Das ist der Geist, der alles umfasst. Wie der Himmel zum Beispiel. An einem Tag ist er bewölkt, an einem anderen Tag ist er voller Schnee. Er enthält alles Mögliche. Aber der Himmel identifiziert sich mit keinem der Phänomene, die er enthält. Er enthält alles, aber er ist nicht diese Dinge. Man sagt, er ist Ku, Leerheit. Der Geist als Leerheit, der zugleich alles umfasst, ist jenseits von Krankheit und Nicht-Krankheit.

Mit diesem Geist kann man durch die Zazen-Praxis in Berührung kommen, wenn man sich mit keiner Erfahrung identifiziert. - Man kann in Zazen alles Mögliche erleben, alle möglichen Gefühle, Emotionen. Man kann Gedanken haben. Aber in der Tiefe, wenn man wirklich Zazen praktiziert, identifiziert man sich mit keiner dieser Erfahrungen. Der Geist in Zazen umfasst alles, aber er ergreift nichts. Dieser Geist ist gesund und kann nicht krank sein, weil er sich an nichts klammert. Ich denke, diesen Geist teilt man mit allen Wesen.

Das Problem für jemanden, dessen Geist krank ist, ist es, es zu schaffen, sich von seinen Gedanken, von seinen Gefühlen zu lösen und diesen weiten Geist zu berühren, der die Verrücktheit umfasst, sich aber nicht mit ihr identifiziert. Ich habe an Lehrgängen in psychiatrischen Kliniken teilgenommen und dort mit Menschen gesprochen, die sehr schwer krank waren. Es gibt Augenblicke, in denen sie mit diesem Geist in Berührung sind. Das ist ein Geist, der überhaupt nicht krank ist. Er identifiziert sich nicht mit ihrer Verrücktheit. Das ist wie Geistesblitze. Bewusstsein jenseits der Verrücktheit. Und oft mit sehr tiefen Einsichten, die uns umso mehr erstaunen, als man das nicht erwartet. Plötzlich nimmt man wahr, dass eine Person, von der man glaubt, dass sie völlig spinnt, dennoch die Fähigkeit hat, sich mit diesem Geist zu verbinden, der sich nicht identifiziert, der sich auch nicht mit dem gewöhnlichen Geist identifiziert, der jenseits davon ist.

Ich bin überzeugt, dass es einen Geist gibt, der nicht krank sein kann. In diesen Geist muss man Vertrauen haben, insbesondere, wenn man mit Leuten zu tun hat, die ein sehr negatives Karma haben und bei denen man dazu neigt, zu verzweifeln, weil man glaubt, man könne ihren Geist nicht ändern und sie heilen. Ich glaube, dass es immer möglich ist, diesen Geist zu berühren, jenen Geist, der jenseits jeder Identifikation mit dem Inhalt des Bewusstseins ist.

Auf jeden Fall hat man im Buddhismus Vertrauen in diesen Geist. Manchmal nennt man ihn Buddha-Natur.

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