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Fragen und Antworten

 

GERECHTIGKEIT

 

Bist du der Meinung bist, dass es Gerechtigkeit gibt, oder ist das nicht ein Konstrukt?

Natürlich ist Gerechtigkeit ein geistiges Konstrukt. Aber ich glaube, dass sie ein gutes geistiges Konstrukt ist. Ein geistiges Konstrukt ist nicht zwingend schlecht. Aber es stimmt, in der Natur gibt es keine Gerechtigkeit. Das ist eine menschliche Vorstellung. Ein Vulkan oder ein Tsunami entscheidet nicht, wen er zerstört und wen nicht. In der Natur gibt es keine Vorstellungen von gut und schlecht. Das ist eine menschliche Vorstellung. Aber für Menschen ist sie wichtig. Für mich ist Gerechtigkeit etwas sehr wichtiges.

Gibt es so etwas wie eine wahre Gerechtigkeit, etwas, auf das wir uns alle einigen können?

Woran denkst du zum Beispiel?

Wenn ich etwas sehe, das ich persönlich als ungerecht empfinde, gibt es da tiefer liegende Faktoren, nach denen ich mich richten kann? Folge ich meinen eigenen Konstrukten oder einem allgemeinen Konstrukt?

Es gibt eine universelle Grundlage der Gerechtigkeit: Menschen, die Gutes tun, müssen dafür eine Belohnung bekommen, die Menschen, die Schlechtes tun, müssen bestraft werden. Das ist die Grundlage von Gerechtigkeit. Das geht bis auf die religiöse Ebene, z.B. beruht die Vorstellung des Karmas auf der Gerechtigkeit: Jemand, der schlecht handelt, muss, selbst wenn er jetzt viel Glück hat, selbst wenn es ihm jetzt gut geht, obwohl er schlecht gehandelt hat, später oder in einem anderen Leben eine negative Sanktion erhalten.

Im Buddhismus gibt es da wirklich eine Theorie, die sogar über den Menschen hinausgeht: Es besteht die Vorstellung, dass in der kosmischen Ordnung Gerechtigkeit herrscht. Es ist nicht so, dass Buddha – wie Gott im Christentum – die Guten belohnen und die Schlechten bestrafen würde. Im Buddhismus gibt es diese Vorstellung, dass es eine automatische Gerechtigkeit gibt, die Belohnungen und Bestrafungen verteilt. Da ist niemand, der urteilt, der sagt: „Das ist schlecht. Du wirst bestraft.“, sondern die schlechte Handlung erzeugt automatisch schlechte Auswirkungen für die Person, die am Ursprung der Handlung stand.

Man kann also sagen, dass es im Buddhismus die Vorstellung einer kosmischen Gerechtigkeit, eines kosmischen Gesetzes, des Dharmagesetzes gibt. Handlungen haben automatisch Auswirkungen auf den Handelnden. Dieses Gesetz ist ein Gesetz des Gleichgewichtes der Gerechtigkeit. Wenn sich jemand gut verhält und ihm dennoch im Leben alles mögliche Negative zustößt, sagt man sich: „Das ist doch nicht gerecht! Die Person ist großzügig, trotzdem hat sie Unfälle, wird sie krank.“ Aus buddhistischer Sicht sagt man: „Das gute Karma dieser Person wird eines Tages gute Auswirkungen für sie erzeugen. Wenn sie jetzt Pech hat, liegt es an einem schlechten vergangenen Karma. Aber wenn die Auswirkungen dieses vergangenen schlechten Karmas erschöpft sind, werden die guten Effekte des jetzigen Karmas ihr eine Belohnung bringen.“

Ich glaube, dass das Karma-System wirklich am besten auf dieses Bedürfnis nach Gerechtigkeit antwortet, das die Menschen empfinden.

Die andere Antwort ist die Antwort der Theisten: Es gibt einen Gott, der urteilt. Am Ende wird er, in einer anderen Welt, die Guten belohnt und die Schlechten bestrafen. Hier hängen die Sanktionen da von einem göttlichen Wesen ab.

Im Buddhismus glaubt man, dass, wenn man bereut, sein Verhalten korrigiert und gut handelt, dies die Auswirkungen des vergangenen schlechten Karmas erleichtert oder korrigiert. Auch in den theistischen Religionen besteht diese Vorstellung. Wenn man betet, wenn man gut handelt, wenn man bereut, verzeiht Gott.

In beiden Fällen sieht man, wie der menschliche Geist ein System entwickelt hat, das die Gerechtigkeit wiederherstellt. Ein derart tiefes Bedürfnis ist es. - Es gibt natürlich auch Menschen, die das nicht glauben.

Meine Frage war mehr: Was ist mein Leitstern? Könnte Mitgefühl eine Art Richtlinie sein?

Mit Mitgefühl und Wohlwollen zu handeln, ist auf jeden Fall gut. Das ist ein gutes Kriterium um richtig zu handeln. Ich glaube sogar, dass es das beste Kriterium ist.

Bei der Frage nach der Gerechtigkeit sollte man nicht nur die unmittelbare Auswirkungen sehen, sondern auch die langfristigen. Mitgefühl ohne Weisheit kann z.B. jetzt richtig erscheinen, es kann aber für die Zukunft katastrophale Auswirkungen haben. Man kann aus dem Herzen heraus handeln und glauben, auf diese Weise jemandem zu helfen, aber in Wirklichkeit hilft man ihm überhaupt nicht. Eine andere Handlungsweise, die weniger mit Mitgefühl gefüllt zu sein scheint, kann eine Person anregen, ihren Geist zu ändern und ist vielleicht effektiver. Anders gesagt: Mitgefühl ja, aber Mitgefühl alleine reicht nicht. Man muss in der Lage sein, mit Intuition die zukünftigen Ergebnisse dessen zu sehen, was unser Mitgefühl uns zu tun inspiriert.
Oft wird unser Mitgefühl durch ein Gefühl, eine Emotion angeregt. In einem Gefühl liegt nicht unbedingt Weisheit. Also muss man die emotionale Seite durch nachdenken korrigieren. Das ist z.B. typisch für Menschen, die Kinder erziehen. Was bedeutet Mitgefühl einem Kind gegenüber? Geht es darum, ihm systematisch Freude zu bereiten, in dem man alles akzeptiert, worum es bittet? - Wenn man z.B. einem Säugling immer dann zu essen gibt, wenn er zu schreien beginnt, scheint das sehr mitfühlend zu sein. Wenn eine Mutter ihr Kind schreien lässt, ohne es zu füttern, scheint das nicht sehr mitfühlend zu sein. Aber immer einem Kind, das schreit, etwas zu essen zu geben, kann auch gefährlich sein. Man muss verstehen, warum das Kind schreit. Da beruht dann das Mitgefühl nicht nur auf der Emotion, sondern auch auf dem Verständnis der Situation.

Man muss eine richtige Haltung haben, richtig im Sinne von wirkungsvoll, eine Haltung, die ein gutes Ergebnis erzeugt.

Also einer Sache gerecht werden, der Wirklichkeit gerecht werden

Da geht es von der justice (dt: Gerechtigkeit) zur justesse ( dt: Angemessenheit).

 



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