BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

KARMA

 

Ich möchte eine Frage in Bezug auf das Karma stellen: In welchem Moment trifft man wirklich eine Entscheidung über sein Leben?

In jedem Moment.

Und wo ist das Karma?

Wenn ich jetzt z.B. die Entscheidung treffe, auf die Uhr zu schauen, ist das kein Karma. Karma bedeutet eine Handlung, die einen ethischen Wert hat.

Ich meine nicht das Karma, das man erzeugt, sondern das Karma, das uns bis hierher gebracht hat.

Du hast doch ein gutes Karma, wenn du Mönch bist. Du bist hier und machst Zazen, also ist alles gut.

Wenn man sich in Zazen hinsetzt und praktiziert, ist das eine Auswirkung von gutem Karma der Vergangenheit, oder ist das eine Entscheidung hier und jetzt?

Es ist eine Entscheidung hier und jetzt, die aber durch vergangenes Karma bedingt ist. Es gibt nichts, was nicht bedingt ist. Das heißt aber nicht, dass es keine Freiheit gibt. Das ist ein sehr heikler Punkt. Unser gesamtes Leben ist Folge von vergangenen Ursachen und Bedingungen. Sie haben bewirkt, dass wir jetzt an dem Punkt sind, an dem wir sind. Je mehr Zazen man praktiziert, um so klarer man sieht, was uns konditioniert, und um so ‚freiere’ Entscheidungen kann man treffen.

Ich glaube nicht, dass man zu hundert Prozent von vergangenem Karma bedingt ist. Aber das vergangene Karma schafft bestimmte Bedingungen. - Ich vergleiche das mit einem Karten-spiel: Am Anfang bekommt man Karten und dann spielt man mit ihnen. Man kann die Karten nicht wählen, aber man kann sich entscheiden, die eine oder die andere Karte zu spielen. Oder man kann entscheiden, das Spiel zu beenden. Im Rahmen bestimmter Ursachen und Bedin-gungen kann man wählen. Für viele Leute, die sich der Ursachen und Bedingungen nicht ausreichend bewusst sind, ist die Wahlmöglichkeit jedoch sehr beschränkt. Sie werden von ihrem Karma mitgerissen.

Wenn man Zazen praktiziert, wird man sich darüber immer klarer, wovon man konditioniert wird. Man sieht sein Karma immer klarer. Das ermöglicht es, dem Karma gegenüber Stellung zu beziehen: Möchte ich dieses Karma fortsetzen oder will ich etwas ändern? Je klarer man ist, desto freier ist man.

In Zazen gibt es immer zwei Aspekte: Der eine ist die Beobachtung, die Weisheit und Verständnis hervorbringt. Aber das reicht nicht: Selbst, wenn man verstanden hat, kann man immer noch dieselben Irrtümer begehen. Der zweite, sehr wichtige Aspekt der Praxis ist die Konzentration. Sie erlaubt es loszulassen, nicht zu folgen. Wenn man es schafft, sich gut auf den Körper und die Atmung zu konzentrieren, geschieht ein Loslassen all dessen, was uns konditioniert. Man sieht es, wird von ihm aber nicht mehr angetrieben.

Es gibt z.B. sehr cholerische Leute. Wenn sie Zazen praktizieren, sehen sie die Gründe für ihre Wut auftauchen. Sie sehen auch das Gefühl, das auftaucht und größer wird. Aber sie sind in der Lage, sich nicht zu bewegen: nichts sagen, nicht bewegen, nicht zuschlagen, ausatmen und vorbeiziehen lassen. So hat man die Wut nicht unterdrückt, man hat klar gesehen, wie sie sich manifestiert, aber man hat sich von ihr nicht mitreißen lassen. - Das gilt für alle Gefühle.

Man kann ein Gefühl haben, z.B. Traurigkeit, und darin schwelgen. Man kann aber auch die Traurigkeit einfach sehen, sich auf die Atmung konzentrieren, hier und jetzt sein und die Traurigkeit vorbeiziehen lassen, wie sie aufgetaucht ist, ohne dass sie uns völlig aufsaugt.

Dass wir in der Lage sind, all dem nicht mehr zu folgen, was uns konditioniert, ist wirklich die Voraussetzung von Freiheit. Klar sehen, was uns konditioniert, ihm aber nicht folgen. Das ist wirklich die Frucht der Zazen-Praxis.

Während eines Sesshins sitzen hier siebzig Leute. Viel Karma manifestiert sich. Wenn wir nicht im Dojo wären, würde jeder etwas machen, etwas sagen, würde sich aufregen, würde weinen. Und jetzt: Alles zieht vorbei wie ein Film. Man lässt sich davon nicht mitreißen. Das ist eine sehr wertvolle Erfahrung.
Dann gibt es Leute, die sagen: „Was mache ich nach dem Sesshin? Da bin ich wieder in Schwierigkeiten, in Emotionen.” Deshalb habe ich gesagt: „Dann muss man auf Zazen zurückkommen.“ Zazen ist wirklich ein Rezept, das man immer wieder erneuern muss. Wie bei chronischen Krankheiten: Man muss ein Rezept haben, das für immer gilt.

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In der Praxis taucht vergangenes Karma auf. Das kann Angst machen. Ich sehe oft im Dojo, dass Leute über diesen Punkt nicht hinauskommen. Es geht ihnen schlecht, und dann kommen sie nicht mehr. Mir hat einmal eine alte Nonne gesagt: „Zazen macht den Koffer auf.“ Hast du einen Rat, wie man solchen Leuten helfen kann, trotzdem weiterzumachen?

Vielleicht, indem man sagt: „Das ist eine Phase, die vorbeigeht. Wir haben alle diese Erfahrung gemacht.“

Das sage ich ja schon. Aber es nutzt nichts.

Die Leute haben kein Vertrauen. Deshalb ist es sehr wichtig zu versuchen, dieses Vertrauen weiterzugeben. Eine Möglichkeit besteht darin, die Beispiele der alten Meister zu verwenden, die auch ein Karma und verschiedene Erfahrungen hatten, die aber am Ende wirklich den tiefen Frieden des Nirvanas gefunden haben.

Meister Deshimaru hat uns dazu gesagt: „Je stärker die Illusionen, die Anhaftungen, die Bonnos, desto größer das Satori.“ Wenn die Leute große Bonnos, große Täuschungen, haben, die sie leiden lassen, sollte man sie an diese Unterweisung erinnern. Oft ist es so, dass Leute, die völlig verzweifelt sind, ganz plötzlich loslassen. So wird tiefe Hoffnungslosigkeit Quelle des Erwachens.

Dazu muss man natürlich mit der Praxis weitermachen. Wenn man weiter praktiziert, werden alle Hindernisse, die einem auf dem Weg begegnen, Gelegenheiten zu erwachen. Aber viele Leute mögen diese Hindernisse nicht. Sie hätten lieber einen glatten Weg ohne Hindernisse. Sie sagen sich: „Ein Weg mit Hindernissen ist kein guter Weg.“ Aber im Gegenteil: Der Wert der Praxis, der Wert des Weges, zeigt sich darin, wie man die Hindernisse überwindet. Wenn es im Verlauf der Praxis einen großen Zweifel oder ein großes Problem gibt, muss man sich sagen: „Das ist eine hervorragende Etappe, durch die ich hindurch muss. Was geschieht hier jetzt?“

Für dich als Verantwortliche eines Dojos ist es vielleicht auch wichtig, wenn die Leute Ver-trauen zu dir haben, sie zu fragen: „Was passiert gerade in deinem Leben? Was passiert wirk-lich? Wie kann man das transformieren?“

Dann fangen die Leute an, ihr ganzes Leben zu erzählen.

Man muss auch zuhören können. Kannon ist der Bodhisattva, der die Klagen der Welt hört. Oft fällt es einem schwer zuzuhören, weil man glaubt, man müsse eine Antwort geben. Es ist nicht nötig eine Antwort zu geben, oft muss man nur zuhören. Das reicht. Nach und nach wird das Klagen weniger. Wie bei einem Baby, das weint. Man wiegt es in den Armen und ganz allmählich beruhigt es sich.

Ich habe früher in Zazen auch immer mal gerne gelitten. Da habe ich mir gesagt: „Niemand zwingt dich zu leiden. Du hast die Wahl zu leiden oder nicht zu leiden.“ Und ich habe mich entschieden, nicht zu leiden. Das hat geholfen. Der Mensch ist frei zu leiden oder nicht zu leiden. Er muss sich nur entscheiden.

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Gibt es gutes und schlechtes Karma oder gibt es einfach nur Karma?

Karma ist immer gut oder schlecht. Es ist nicht neutral. Karma ist im Bereich der Ethik angesiedelt, im Bereich von gut und schlecht, von richtig und falsch. Aber Karma verändert sich ständig. Deshalb ist ein schlechtes Karma nicht zwingend für immer schlecht. Ein schlechtes Karma, das Leiden erzeugt, kann auch die Gelegenheit für eine radikale Änderung des Lebens sein. Je schmerzhafter das Karma ist, um so mehr kann man den Wunsch verspüren, dieses Karma zu beenden und z.B. in die Praxis des Weges einzutreten. - Ich habe im Gefängnis Leute gesehen, die wirklich ein ganz übles vergangenes Karma hatten, das für sie aber eine große Anregung war, Zazen zu praktizieren und ihr Karma zu ändern.

Es gibt sehr wohlwollende Leute, denen es sehr gut geht und die sich fragen: „Warum sollte ich Zazen machen? Das brauche ich nicht.“ Es ist oft so, dass das, was wir schlechtes Karma nennen, zur Gelegenheit wird, den Weg zu betreten. - Ich will damit nicht sagen, dass alle, die Zazen praktizieren, notwendigerweise ein schlechtes Karma haben. Aber man muss sehen, dass schlechtes Karma oft Bodaishin, den Geist des Erwachens, weckt. Es braucht jedoch auch gutes Karma, um den Weg zu betreten. Man braucht beides. Man braucht das schlechte Karma, das das Leiden und den Wunsch, aus ihm herauszukommen, schafft, und man braucht das gute Karma, das die Gelegenheit eröffnet, dem Zen zu begegnen, ein Buch, einen Meister, ein Dojo zu finden. Man braucht auch eine Gelegenheit für den Kontakt zum Zen. Das ist das Ergebnis des gute Karmas.

In unserem Leben mischen sich gut und schlecht unablässig. Deshalb ist es sehr kompliziert. Daher ist es besser Zazen zu machen und das Karma fallen zu lassen.

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Hat Buddha selbst schon von Karma gesprochen, oder kam das erst später dazu?

Nein, er hat nicht nur davon gesprochen, sondern es ist sogar Teil seines eigenen Erwachens. Er hat viele Male davon gesprochen, wie die Nacht verlaufen ist, in der er das Erwachen erlebt hat.

Für mich ist die Idee des Karma neu und schwer zu akzeptieren und auch zu verstehen.

Das stimmt, es ist schwer. Aber diese Idee nicht zu akzeptieren, macht die Dinge noch schwieriger!

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Ich frage mich, warum ich mich mit dem Karma beschäftigen soll. Die Motivation zum Handeln besteht nicht zwangsläufig darin, gutes oder schlechtes Karma zu erzeugen. Wenn ich eine Handlung mushotoku begehe, ist sie dann außerhalb von Karma?

Man kann karmische Handlungen begehen, auch wenn man nicht an Karma glaubt oder daran denkt. Es reicht aus, dass die Handlung bewusst und willentlich ist und einen positiven oder negativen Wert hat. Das ist alles. Ob du daran glaubst oder nicht, ob du daran denkst oder nicht, ändert überhaupt nichts. Das Gesetz funktioniert. Aber wenn du dieses Gesetz nicht ignorierst - was die Erwachten charakterisiert -, kannst du damit spielen, kannst du es nutzen, um die Befreiung aller Wesen zu unterstützen.

Das Schlimmste ist, es zu ignorieren. Dann sieht man die Wirklichkeit nicht und befindet sich in der Täuschung, was der Hauptgrund für das Fortbestehen dieses Zyklus’ ist.

Du hast jedoch ein sehr wichtiges Wort gebraucht: Mushotoku. In unserer Praxis des Weges konzentriert man sich nicht darauf, das Richtige zu praktizieren, weil man darauf hofft, gute karmische Wirkungen zu erhalten. Das ist nicht das Ziel. Normalerweise macht man einfach das, was richtig ist, weil man ausreichend erwacht ist, um in Kontakt mit seiner wahren Natur zu sein. Das bewirkt, dass man nichts Unrechtes tun kann. So kann man auf rechte Art handeln ohne zu denken: „Ich werde das und das tun, um ein schlechtes Karma zu vermeiden oder um ein gutes Karma zu erzeugen. Man kann sagen, dass Mushotoku, d.h. die Handlung ohne persönliches Ziel, das Heilmittel für die drei Gifte ist, für Gier, Hass und Verblendung, die die Ursache aller Leiden sind. So ist die Mushotoku-Handlung die wahrhaft erwachte Handlung.

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Ich habe eine Frage zum Karma: Daß das, was ich schaffe, Auswirkungen auf mich hat, ist klar. Aber wenn mir ein Unglück widerfährt, das nicht direkt von mir kommt, ist das Zufall. Wenn z.B. ein Mensch durch Krankheit stirbt, den ich sehr gern mag, und ich sehr darunter leide, sehe ich keinen Zusammenhang zu meinem Karma von früher.

Weil die Ursachen des Karma sehr komplex sind, sieht man nicht immer die Beziehung. Und ich glaube, es ist nicht nötig, die Beziehung sehen zu wollen. Wenn man die Sichtweise des Karma, von Ursache und Wirkung, annimmt, hilft das sehr, das zu akzeptieren, was passiert, und daraus eine Unterweisung zu machen, eine Gelegenheit zu Erweckung und Befreiung. Wenn man denkt: ‘Alles ist absurd’, ‘Es gibt keine Ursache und keine Wirkung, für die man selber verantwortlich ist’, sieht man sich als Opfer. Diese Sichtweise hilft uns nicht vorwärts zu kommen.

Ich glaube, daß die Sichtweise des Karma vor allem den Verdienst hat, uns verantwortlicher zu machen und uns in die Richtung größerer Freiheit gehen zu lassen, indem man anerkennt, daß das, was uns passiert, an Ursachen liegt, und daß man, wenn man hier und jetzt anders handelt, als man früher gehandelt hat, neue Ursachen schafft, die neue, andere Wirkungen schaffen werden. Das heißt, es gibt eine Möglichkeit der Veränderung. Wir sind also nicht zu einem Schicksal gezwungen, denn wir haben unsere Verantwortungen. Ich glaube, daß das eine sehr positive Sicht ist, die eine große Hilfe in der Praxis des Weges und des Lebens allgemein ist. Selbst wenn man das nicht wissenschaftlich beweisenen kann.

Da das nicht nachgewiesen werden kann, kannst du es glauben oder nicht. Aber du kannst feststellen, daß dein Leben anders ist, je nachdem, wie du denkst. Ich glaube, daß die Gedanken letztlich nur den Wert haben, was sie uns leben lassen. Z.B. ist die einzige Funktion des Gedankens der Leerheit - eines Grundgedanken des Buddhismus, des Zen, des Mahayana - uns zu helfen, uns zu befreien.

Sprichst du von Ku?

Ja. Aber wenn man sich an Ku klammert, wird man der Gefangene von Ku. Alle Buddhas, alle Meister haben die Leerheit nur gelehrt, um den Leuten zu helfen, sich von ihrem Ego zu befreien. Ich glaube, für das Karma gilt das gleiche. Wenn du die Sichtweise des Karma annimmst, gibt dir das eine Lebensperspektive, die dir hilft, dich zu befreien. Wenn du diesen Begriff zurückweist, ist es schwieriger.

Man hat mir gesagt, Karma sei erblich.

Das ist völliger Unsinn. Es gibt kein erbliches Karma, und es ist auch nicht ansteckend.

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Schlechte Taten ziehen schlechte Wirkungen nach sich. Ich denke an viele Menschen, die ihr Leben lang schlechte Taten vollbracht haben und dann sehr schnell und schmerzlos gestorben sind. Am Ende des Lebens stirbt der Körper und es gibt auch keine ewige Seele. Ich habe mich gefragt: Wer erfährt die schlechten Wirkungen?

Es scheint mir so, dass es zwecklos ist, gute Dinge zu tun, wenn man nicht gleichzeitig auf der Suche ist.

Das Karma ist die Welt des Egos. Es hat eine relative Existenz. Unsere Taten haben gute oder schlechte Auswirkungen. Das hängt von ihrer Natur ab. Aber diese Auswirkungen sind nur die Fortsetzung der Taten. So wie die Wiedergeburt die Fortsetzung eines vorherigen Lebens ist, aber es ist nicht an eine Person gebunden. Es ist kein Ego, das wiedergeboren wird.

Jedes Mal, wenn ihr solche Fragen stellt, denke ich immer, dass das die schlimmsten Fragen sind, die ihr stellen könnt. Fragen über das Karma sind sehr schwierig. Was am Ende transmigriert, was sich fortsetzt, ist das Karma selbst. Es ist der Prozess des Karmas. Aber es gibt keine substanzielle Seele, die dieses Karma erschafft und die Auswirkungen empfängt.

Es gibt viele Vergleiche mit der Landwirtschaft. Sie beginnen immer mit der Saat: Eine ausgewachsene Eichel trägt Früchte, die Eicheln fallen auf den Boden, und ein neuer Baum wird sich daraus entwickeln. Diese neue Eiche ist die Fortsetzung der Eiche, von der die Eichel stammt. Sie ist nicht dieselbe Eiche, aber sie ist auch nicht ganz anders. Es ist wie die Fortsetzung eines Prozesses. So ist das Karma. Wenn man die Schriften des Buddhismus zu diesem Thema gut studiert, findet man interessante Erklärungen, aber keine kann wirklich den Geist zufrieden stellen. Man kann sich nicht vorstellen, wie das konkret funktionieren soll.

Man kann es auch als Mythos betrachten. Manchmal sage ich mir, Karma und Wiedergeburt sind Mythen. Wenn man sie als Mythen betrachtet, das heißt, wenn man sie nicht wissenschaftlich beweisen kann, sind die Auswirkungen, die durch den Mythos erzeugt werden, das eigentlich Wichtige.

Ich finde, dass dieser Mythos sehr positive Auswirkungen hat, denn er hilft, einen tiefen Sinn für die Verantwortlichkeit unserer Handlungen zu bekommen und zu akzeptieren, dass das Leben kein Chaos ist, sondern dass es eine gewisse Ordnung gibt und damit eine Möglichkeit der Änderung, der Verbesserung. Gerade weil es keine wirklich befriedigende Erklärung und keinen substanziellen Geist gibt, wird es uns möglich, uns zu befreien und zu erwachen. Wenn es einen substanziellen Geist gäbe, wäre keine Befreiung möglich. Dann gäbe es etwas Festes, Starres, das die Umwandlung, die Befreiung verhindern würde. Die Schwierigkeit ist genau das, was die Realisation ermöglicht. Die Tatsache, dass es kein Ego gibt und dass man die Kontinuität nicht erklären kann, ist die Wirklichkeit selbst, die wesentliche Wirklichkeit. Wenn man dies tief versteht, dann hält die Transmigration an. - Was transmigriert am Ende? - Nur eine Illusion.

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Ist Buddha dem Gesetz von Ursache und Wirkung entkommen?

Ja, bei seiner letzten Geburt. - Vielleicht werde ich für diese Antwort als Fuchs wiedergeboren! - Die Frage wurde einmal einem Meister gestellt, der darauf antwortete, dass ein erwachtes Wesen tatsächlich dem Gesetz der Kausalität entkommt. Es heißt, dass er wegen dieser Antwort während fünfhundert Leben als Fuchs wiedergeboren wurde. Eines Tages nahm der Geist dieses alten Mönches, der in einen Fuchs verwandelt war, an einem Vortrag von Meister Hyakujo teil und erzählte diesem seine Geschichte. Er fragte Hyakujo: „Könnte Ihr mir helfen, mich aus diesem Zyklus der Wiedergeburten als Fuchs zu erlösen?“. Hyakujo antwortete: „Ja. Du musst mir nur erneut die Frage stellen, die Dir gestellt wurde.“ Da stellte der alte Mönch die Frage erneut: „Entkommt ein erwachtes Wesen dem Gesetz der Kausalität?“ Und Hyakujo antwortete ihm: „Es ignoriert es nicht.“ Der alte Mönch erwachte augenblicklich und verließ seine Transmigration als Fuchs.

Man kann denken, Hyakujos Antwort bedeute, dass selbst ein erwachtes Wesen dem Karma unterworfen ist. So wird Hyakujos Antwort im allgemeinen interpretiert, als Bestätigung, dass die karmische Kausalität universell ist. Aber seine Antwort ist viel subtiler, weder ja noch nein: „Es ignoriert es nicht.“ Das heißt, das erwachte Wesen ist vollständig zur Erscheinung der karmischen Kausalität erwacht. So kann er sie frei gebrauchen, um die anderen zu erwecken.

Man kann also sagen, dass er nicht der karmischen Kausalität unterworfen ist. Er ist aber auch nicht außerhalb von ihr.

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Kann man etwas für das Karma bereits Verstorbener tun?

Ja. Das ist die Bedeutung aller Zeremonien, die für die Toten gemacht werden. Man kann sagen, das auf dem Glauben an die Übertragung der Verdienste beruhen. Den gibt es schon seit sehr langer Zeit, nicht nur im Mahayana. Seit dem Beginn der Unterweisung Buddhas gibt es die Vorstellung, dass die Verdienste anderen übertragen werden können. Wenn man z.B. ein Sesshin macht, ist das ein gutes Karma, eine gute Praxis, und man kann es als Gelegenheit nehmen, eine Zeremonie zu machen und sie den Toten widmen, als eine Art Gebet, dass die positiven Wirkungen dieser Praxis zu denen gelangen, die Hilfe benötigen, um ihr Karma umzuwandeln. Das ist auch ein wesentlicher Aspekt des Bodhisattvas.

Letztlich kann die Übertragung der Verdienste andere aber nicht erwecken: Man kann nicht jemand anderen erwecken. Man kann nur selbst erwachen. Man kann das Erwachen nicht weitergeben. Jedoch kann die Übertragung der Verdienste Menschen die besten Bedingungen ermöglichen, um selbst zu erwachen.

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Ich möchte eine Frage zu Karma und Wiedergeburt stellen. Für mich ist es schwierig, den Zusammenhang zwischen einem Leben und einem daraus resultierenden neuen Leben zu sehen. Für mich wäre die Theorie leichter akzeptabel, wenn es darum ginge, dass dieses Leben Auswirkungen auf mehrere später lebende Menschen hätte.

Das widerspricht völlig der Lehre Buddhas. Denn das würde bedeuten, dass nicht du das Resultat deines Karmas empfängst, sondern andere. Das hat Buddha als nihilistische Konzeption bezeichnet und aus verschiedenen Gründen zurückgewiesen. Der Hauptgrund war, dass diese Auffassung negative Auswirkungen auf dieses Leben hat, denn es ermutigt eine verantwortungslose Sichtweise seinem eigenen Handeln gegenüber: Ich mache irgendwelche Torheiten und die anderen müssen die Suppe auslöffeln.

Aber wer setzt sich da fort?

Man existiert und man existiert zur gleichen Zeit nicht. Man existiert nicht als ein substantielles, permanentes Ego, sondern als eine Strömung karmisch bedingten Handelns. Das wird in den 12 Innen beschrieben. Diese Strömung karmisch bedingten Handelns setzt sich fort.

Unsere Handlungen haben Auswirkungen auf unsere Umwelt, nicht nur auf uns selbst, aber das sind keine karmischen Auswirkungen. Wenn du z.B. die Umwelt verschmutzt, hat deine Handlung Auswirkungen auf die Natur, und auch andere Wesen werden darunter leiden. Das ist eine Folge deines Karmas, aber es handelt sich nicht um eine karmische Kausalität. Dein Karma hat auch Auswirkungen, die nicht karmisch sind, Auswirkungen auf die Umwelt zum Beispiel.

Karmische Auswirkungen nennt man Effekte, die die Kontinuität der 12 Innen betreffen. Diese Kontinuität wird vom Bewusstsein der Wiedergeburt getragen. Das ist schwer zu verstehen, aber ich glaube, dass es besser ist, in dieser Perspektive zu denken, selbst wenn es einem schwer fällt, das zu verstehen, weil alle anderen Theorien viel schlechter und weniger zufriedenstellend sind.

Wenn Buddha von früheren Leben spricht, die er gesehen hat, kann man natürlich sagen, dass er alle seine früheren Leben gesehen hat.

Ja, er hat diese Leben gesehen. Er hat das selbst erklärt.

Kann man es nicht so auslegen, dass man sagt, dass er, weil wir nicht wirklich getrennt sind, alle möglichen Leben gesehen hat, die ein Mensch leben kann?

Auch das hat er gesehen. Er hat beides gesehen. Er hat selbst erzählt, dass er in der großen Nacht, die mit seinem Erwachen endete, zunächst die Wiedergeburten der anderen Menschen gesehen hat. Da hat er gesagt, dass die Menschen aufgrund ihres Karmas wiedergeboren werden, dass jedes Wesen Erbe seines Karmas ist. Dann hat er seine eigenen früheren Leben kontempliert, tausende früherer Leben. Seine eigenen Leben hingen von seinem eigenen Karma ab.

Danach hat er sich gefragt, wie man aus dieser Verkettung der Wiedergeburten herauskommen kann, die Leiden impliziert. Er stellte sich die Frage, warum man altert, krank wird und stirbt. Und er hat begonnen, die 12 Innen zu verstehen: Man wird alt, man wird krank, man stirbt, weil man geboren ist. Um dukkha ein Ende zu setzen, muss man der Geburt ein Ende setzen. Aber die Geburt ist konditioniert: Es gibt Gründe, warum man geboren wird, es ist kein Zufall. Da ist er dann in der Kette zurückgegangen bis zur Verblendung. Und als er diesen Kreis verstanden hatte, hatte er den Eindruck, den Weg gefunden zu haben, der dieser Verkettung ein Ende setzen kann. Den hat er dann in einer anderen Form, in der Form der vier edlen Wahrheiten und des achtfachen Pfads unterwiesen.

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Eine Frage zum Karma: Es heißt, dass, wenn ich eine Tat in bester Absicht ausführe, aber etwas Negatives dabei rauskommt, die guten Absichten überwiegen.


Nein. Wenn eine negative Auswirkung da ist, heißt das, dass du ohne Weisheit gehandelt hast. Selbst dann, wenn du eine gute Absicht gehabt hattest. Du bist verantwortlich dafür, ohne Weisheit gehandelt zu haben. Du bist zumindest für eine gewisse Nachlässigkeit verantwortlich, nicht an die negative Konsequenzen deines Handelns gedacht zu haben. Es reicht nicht, gute Absichten zu haben. In Frankreich sagt man, dass die Hölle aufgrund von guten Absichten entstanden ist. Eine gute Absicht allein reicht also nicht.

Aber es stimmt, auf der Ebene des Karmas ist die Absicht sehr wichtig. Wenn man mit einer schlechten Absicht handelt, ist das Ursache schlechten Karmas. Aber es reicht nicht, eine gute Absicht zu haben, damit man gutes Karma erzeugt. Man muss auch nachdenken, man muss auch mit Weisheit handeln. Anders gesagt, ein gutes Herz reicht nicht.

Ein Theravada-Mönch benutzte folgendes Beispiel: Wenn jemand Mitgefühl mit einem Kranken hat, unbedingt eine Arznei gegen die Krankheit finden will, an einen Arzneischrank geht, ein Medikament entnimmt und dem Kranken verabreicht, ohne an mögliche Kontraindikationen und an die Dosierung des Medikaments zu denken, tötet er vielleicht die Person, der er helfen wollte. Er hat zwar mit gutem Willen, aber ohne Weisheit gehandelt. Man kann nicht sagen, dass er gutes Karma geschaffen hat.

Wenn ich ein Beispiel bringen dürfte: Ich bekomme vielleicht an einem Sommertag die Aufgabe, Fensterrahme zu streichen und weiß im Vorfeld, dass sich viele Insekten in der Farbe verfangen werden und einen grauenvollen Tod sterben werden. Darf ich das ausführen oder sollte ich besser warten bis es dunkel wird?

Es ist besser, das abends zu machen. Karma bedeutet, über die Konsequenzen seiner Handlungen nachzudenken. Es reicht nicht, einfach dem Chef zu gehorchen, damit das ein gutes Karma gibt. Man kann auch eine Anweisung kritisieren, wenn man sieht, dass sie negative Auswirkungen haben wird.

Das kann im Beruf sehr schwer sein.

Das stimmt, das ist heikel.

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Buddha hat das Anatman gelehrt. Er hat gelehrt, dass kein unabhängiges Selbst weitergegeben wird, dass es kein unsterbliches Selbst gibt. Er hat auch die Unterweisung des Karma weitergegeben. Für mich gibt es da einen Widerspruch. Wenn meine Handlungen karmische Auswirkungen haben, wie können die nach meinem Tod ohne einen Träger der Informationen weiter bestehen?

Der Träger ist das Bewusstsein.

In diesem Fall würde es sich um ein allgemeines Bewusstsein handeln.

Nein. Du weißt selbst, dass dies die schwierigste Frage ist. Das habe ich schon oft gesagt. Man hat versucht, alle möglichen Lösungen für diesen scheinbaren Widerspruch zu finden. Aber wenn der Buddha ein beständiges Atman in Abrede stellt, ein Atman, wie es die Hindus begreifen, eine Substanz, dann heißt dies nicht, dass nicht ein Bewusstsein, das keine beständige Substanz ist, sondern sich ständig weiterentwickelt und transformiert, weiter bestehen kann.

Zum Beispiel schläft man abends mit einem bestimmten Bewusstseinszustand ein. Wenn man am Morgen aufwacht, ist der Bewusstseinszustand nicht mehr genau derselbe, aber auch kein völlig anderer. Er ist die Fortsetzung, etwas, das weitergeht.

Man muss verstehen, dass die Kontinuität, so wie Buddha sie bei seinem Erwachen wahrgenommen hat, eine Kontinuität in einer Interdependenz ist, die Veränderung mit sich bringt: Veränderung des Körpers, des Bewusstseins, aller Seinselemente. Das führt dazu, dass man auch in diesem Leben von Augenblick zu Augenblick nicht mehr genau derselbe ist, aber auch kein völlig anderer.

Bezüglich des Mysteriums, was zwischen Tod und Wiedergeburt geschieht, ist ganz klar, dass das Bewusstsein im Moment des Todes eine Transformation erfährt. Es handelt sich nicht um etwas, das man aus einem toten Körper entfernt und in einen neuen Körper einpflanzt. Die Erfahrung des Todes verändert das Bewusstsein. Aber der Bewusstseinsstrom besteht weiter, auch wenn er nach der Erfahrung des Todeskampfes und des Todes verändert wurde. Er ist nicht genau derselbe wie vorher, aber auch kein völlig anderer, sondern eine Fortsetzung.

Ich glaube, die beste Methode ist, weder dem Nihilismus zu verfallen, dem Glauben, dass mit dem Tod alles beendet ist, dass sich alles auflöst, noch dem Dogma der Ewigkeit anzuhängen, dem Glauben, dass es im Grunde unseres Selbst eine Substanz gibt, die sich nie verändert, die unsterblich ist und von Körper zu Körper weitergegeben wird. Dies hat Buddha abgelehnt.

Das bedeutet, dass es ein Bewusstsein gibt, das nicht an die Hirnfunktionen gebunden ist.

Ja. Natürlich gibt es eine Verbindung zwischen dem Bewusstsein und dem Gehirn, aber es gibt psychische Phänomene, z.B. die Gedankenübermittlung, bei denen man sieht, dass das Bewusstsein sich nicht auf den Raum des Gehirns beschränkt. Offensichtlich gibt es einen Ausgang des Bewusstseins aus dem Schädel, der das Übertragen von Informationen ohne materiellen Träger ermöglicht. In gewisser Weise klingt das sehr mysteriös.

Ich diskutierte darüber mit einem Übersetzer der Sutren Buddhas, der in Frankreich lebt. Er sagte: „In diesem Raum hier bewegen sich alle möglichen Wellen, Radiowellen, Telefonwellen, fließen um uns herum jede Menge Informationen ohne materiellen oder sonstigen Träger. Es reicht aus, einen entsprechenden Apparat zu haben, ein Telefon oder ein Radio, damit sich diese Informationen ohne Form, ohne Träger plötzlich konkretisieren: ‚Ah, ein Bild, Ton, eine Stimme!’ Das können wir jetzt wissenschaftlich erklären, weil wir es selbst erzeugt haben. So ähnlich ist es auch mit dem menschlichen Geist, nur dass wir es noch nicht erklären können.“

Selbst wenn im Moment die wissenschaftlichen Mittel fehlen, um den Vorgang der Transmigration eines Bewusstseins von einem verstorbenen Individuum zu einem gerade entstandenen Zellhaufen zu beweisen und er daher heute als Mythos, als Glaubensgegenstand des Glaubens angesehen wird, ist es meiner Meinung nach ein exzellenter Glaubensgegenstand, der beste Mythos. Im Vergleich zu allen anderen Konzeptionen der Welt, ist dies für mich die beste Weise, Leben und Tod zu betrachten. Denn sie behält einen Sinn für Verantwortlichkeit bei, was ich sehr wichtig finde. Wenn sich die Auswirkungen unserer Handlungen nur auf dieses Leben beschränken würden, wenn es keine Karma-Wirkung aus vorherigen Leben geben würde, wenn man also einen nihilistischen Standpunkt hätte, gäbe es viele negativen Konsequenzen. Aber wenn wir stattdessen die Sichtweise einer Fortsetzung von Geburt zu Wiedergeburt annehmen, können wir uns dessen bewusst werden, dass das, was uns passiert, mit einer karmischen Kausalität zusammenhängt. Es liegt nicht an einem schlechten Schicksal oder an einem bösen Dämon, der sich gegen uns wendet. Unsere eigene Verantwortlichkeit schafft unsere Lebensbedingungen! Das ermöglicht es uns einerseits, sie zu akzeptieren, und andererseits, sie zu verändern. Wenn man sich hier und jetzt seiner Fehler bewusst wird und sie bereut, so wie wir es im Sangemon singen, engagiert man sich in einer Praxis des Lebens und Veränderung wird im Laufe des Daseins möglich.

Die Bodhisattva-Gelübde, die wir aussprechen, sind große Gelübde, die dem Leben einen tiefen Sinn geben. Aber wenn wir unseren Handlungsraum auf die paar Jahre begrenzen, die wir zu leben haben, können wir sie nicht realisieren. Das ist offensichtlich. Ein Leben reicht nicht aus, um mit allen Bonnos fertig zu werden. In einem Leben kann man niemals alle Dharma verwirklichen oder alle Wesen retten. Aber wenn man sich auf eine unbegrenzte Zeit einstellt, auf eine unbegrenzte Anzahl von Leben, ist alles möglich.

Man kann nicht beweisen, dass die Fortführung einer Existenz in einer anderen unmöglich ist. Aber man kann leicht verstehen, dass sehr viele negative Konsequenzen entstehen, wenn man nicht daran glaubt, und dass der Glaube daran wirklich positive Auswirkungen hat.

Unsere Gedanken haben einen relativen Wert, aber es ist wichtig, welche Auswirkungen unsere Denkweise auf unser Leben hat. Genau darum geht es in der Unterweisung von Baso, deren Thema die drei Welten sind, die drei Welten, die einen einzigen Geist bilden. Was heißt das? Das heißt, dass die Welt, in der wir leben, völlig von unserem Geist abhängt. Man glaubt immer, unsere Welt wäre von den Phänomenen um uns herum abhängig. Aber sie hängt ganz grundlegend von unserem Geisteszustand ab, von unserer Art zu denken. Je nachdem, wie wir denken, können wir dieselbe Welt, dieselben Phänomene auf ganz verschiedene Weise wahrnehmen. Ich glaube, wenn man mit dem Verständnis des Karmas an Wiedergeburt denkt, kann man wirklich den Weg Buddhas betreten und das Dharma Buddhas auf wirklich positive Weise praktizieren.

Aber wenn man das Dharma Buddhas mit einer nihilistischen Sichtweise praktizieren will, indem man glaubt, dass nach dem Tod alles vorbei ist, können viele Hindernisse auftreten. Dogen war auch dieser Meinung. Er sagte: „Wenn ihr nicht an mehrere Leben, an die Karmafolge in den drei Zeiten glaubt, habt ihr nicht den geeigneten Geist, um den Weg Buddhas zu betreten. Ihr könntet ihn nicht einmal erreichen.“ Da war er ganz kategorisch. Ich habe viel über diese Unterweisung Dogens nachgedacht. Das hat mich zu dem geführt, was ich gerade erklärt habe.

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Was deine obige Antwort betrifft, weißt du das oder glaubst du es? Und wenn du es weißt, woher weißt du es?

Weder weiß ich es, noch glaube ich daran. Es ist zwischen beidem. Ich denke, wie ich gestern gesagt habe, dass es das beste Verstehen ist. Wenn ich Leben und Tod auf diese Weise betrachte, ist mein Geist wesentlich positiver und viel entschlossener, den Weg zu praktizieren. Ich finde, dass diese Sichtweise richtiger ist als irgendeine andere. Selbst wenn man im Moment sagen kann, es handele sich um einen Mythos, um eine Vision der Welt, die wissenschaftlich nicht bewiesen werden kann, halte ich sie für einen äußerst positiven Mythos, weil sie einen Sinn für die Menschheit ergibt.

Ich habe selber keine Erfahrungen aus meinen früheren Leben. Ich kann dir nicht sagen: „Während der Meditation habe ich gesehen, dass ich früher diese oder jene Wiedergeburt hatte.“ Und ich kann auch nicht sehen, welche Art von Wiedergeburt ich in Zukunft erfahren werde. Diese Art von Erfahrungen suche ich auch nicht. Vielleicht würde ich etwas finden, wenn ich in dieser Richtung suchen würde. Es gibt gewisse Meditationsarten, die es ermöglichen, in frühere Leben zurückzugehen oder eine klare Sicht auf die Zukunft zu bekommen. Danach trachte ich nicht. Ich konzentriere mich auf das Hier und Jetzt, weil ich denke, dass die ganze Vergangenheit durch das, was ich hier und jetzt praktiziere, umgewandelt wird und dass meine Zukunft aus dem, was ich hier und jetzt praktiziere, entsteht.

Das heißt nicht, dass ich nicht an frühere oder zukünftige Leben glaube. Ich glaube daran. Mein Leben und meine Art und Weise, hier und jetzt zu praktizieren, ist mit diesem Glauben besser. Das erfahre ich.

Aus diesem Grund sage ich auch nicht: „Ihr müsst so denken wie ich.“ Ich glaube es und erkläre euch, warum ich diesen Glauben angenommen habe. Und ich habe ihn angenommen, nachdem ich gut über die Unterweisung von Buddha und Dogen nachgedacht und beobachtet habe, was in meinem Leben und im Leben anderer geschah. Aber ihr könnt durchaus praktizieren und euch sagen, dass ihr nicht an frühere oder zukünftige Leben glaubt. Das ist der Fall bei einigen meiner Schüler. Aber wenn man mir das sagt, erwidere ich: „Schade! Aber ganz wie du willst.“ Ich kann nicht darauf bestehen, dass ihr die Dinge so seht, aber ich bin davon überzeugt, dass diese Sichtweise besser ist als die nihilistische Sichtweise ‚Es gab vorher nichts, es gibt nachher nichts, es gibt nur den gegenwärtigen Moment.’

Mein eigener Meister, Meister Deshimaru, hat mich nie gedrängt, an frühere oder zukünftige Leben zu glauben. Aber er sprach vom Karma. Wenn man vom Karma spricht, impliziert es frühere und zukünftige Leben. Er beharrte allerdings darauf, dass man sein Karma hier und jetzt umwandelt, was übrigens die einzige Art und Weise ist, es umzuwandeln: hier und jetzt.

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Meister Deshimaru hat gesagt: „Dass ihr zum Zen gekommen seid, ist Folge eures guten Karmas, das ihr in diesem oder in einem früheren Leben erworben habt. Ich bin von dieser Karma-Idee überzeugt, besonders wenn ich mein Leben ansehe. Ich glaube auch, dass man sich sein Elternhaus aussucht.

Vielleicht.

Aber was ist dann mit den Menschen, die z.B. durch Attentate umkommen, oder jetzt, wie in China und Birma, zu Tausenden sterben?

Nicht alles, was geschieht, wird durch das Karma ausgelöst. Man kann z.B. nicht sagen, dass alle die Menschen, die in einem Tsunami, in einem Krieg oder aufgrund von rassistischer Verfolgung getötet werden, ein schlechtes Karma haben und dass dieses Karma dazu geführt hat, dass sie sich in dieser schlechten Situation befinden.

Buddha sagte, dass das, was uns geschieht, von fünf verschiedenen Ursachen erzeugt wird. Das Karma ist nur eine der möglichen Kausalketten. Buddha verstand die Komplexität der Wirklichkeit sehr gut. Er mochte keine einseitigen Sichtweisen. Er sagte: „Alle die glauben, dass alles, was geschieht, durch das Karma verursacht wird, haben einen übertriebenen Standpunkt.“ Er sagte: „Wenn man die Wirklichkeit betrachtet, sieht man selbst, dass das nicht stimmt.“

Man kann sich die Frage stellen, warum jemand, der sein ganzes Leben über, 30 oder 40 Jahre lang, gut gehandelt hat, oder ein Neugeborenes, das keine Zeit hatte, irgendeine schlechte Tat zu begehen, aufgrund eines Unfalls verstirbt. Natürlich kann man dann sagen, dass das an einem Karma aus einem früheren Leben liegt. Das ist möglich, aber nicht sicher. Es gibt auch andere Ursachen für Unfälle als das Karma. Es gibt andere Ursachen für Krankheiten als das Karma. Das ist sehr wichtig.
Heute glauben Menschen, die Krebs bekommen - selbst Menschen, die nicht unbedingt Buddhisten sind -, dass sie den Krebs selbst erzeugt haben. Andere Menschen neigen dazu, sie in ihrem Glauben zu bestärken: „Du bist für deine Krankheit verantwortlich.“ Zum Teil stimmt das, aber nicht völlig. Denn das Leben ist viel komplexer als das. Eine Krankheit wird nicht durch eine einzelne Ursache ausgelöst, sondern durch ein Geflecht von Ursachen. Ein Teil der Ursachen kann karmisch sein, andere sind es nicht.

Buddha sprach zum Beispiel klimatische Ursachen an. Das waren für ihn keine karmischen Gründe. Wenn jemand auf der Strasse spazieren geht und vom Blitz erschlagen wird, kann man natürlich sagen: Vielleicht war das sein Karma, dass er sich in dem Augenblick an diesem Ort befand. Aber die Ursache für den Blitz war physikalisch-geographisch, klimatisch. Es muss nicht das Karma gewesen sein, das verursacht hat, dass der Blitz in die Person eingeschlagen ist.

Es ist sehr wichtig, die Dinge so zu sehen, denn sonst wird das Leben sehr kompliziert, und man neigt dazu, sich viele Schuldgefühle zu machen, sobald irgendwas passiert: ‚Oh, das ist mein Karma.’ Natürlich ist es gut, über sein Karma nachzudenken, aber man sollte nicht glauben, dass es nur das gibt. Karma ist vielleicht 20% oder 30% der Ursachen. Es gibt anderes, was geschieht, und was nicht mit unserem Karma verknüpft ist.

Buddha bestand sehr darauf, dass das Karma vor allen Dingen die Bedingungen unserer Geburt bestimmt. Anders gesagt: in welcher Art von Land, in welcher Art von Familie wir geboren werden, mit welcher Gebrechlichkeit oder mit welcher physischen Gesundheit wir geboren werden. Man kann das Karma ein bisschen mit einem Kartenspiel vergleichen: Zu Beginn eines Kartenspiels bekommt man einen bestimmten Kartensatz in die Hand. Es ist das vergangene Karma, das uns diesen Kartensatz in die Hand drückt. Bei der Geburt empfangen wir bestimmte Fähigkeiten. Das ist sehr vom vergangenen Karma konditioniert. Aber wie sich dann unser Leben abspielt – da gibt es viele Faktoren.

Wenn man überall nur Karma sieht, führt das auch dazu, dass man sich sagt: ‚Na ja, die Ursache liegt im Karma, also brauche ich nichts zu tun.’ Wenn man glaubt, dass alles vom Karma ausgelöst wird, wird man sich nie gegen Ungerechtigkeiten einsetzen. Denn man sagt sich: ‚Was da geschieht, ist nur Ergebnis des Karmas.’ Wenn man als Arzt an das Karma als das einzig regierenden Gesetz glauben würde, würde man die Kranken nicht heilen: ‚Wenn sie krank werden, ist es ihr Karma, also sollte man sie doch krank lassen. Wenn sie sterben müssen, umso besser, dann werden sie ihr Karma schnell los.’ Das führt zu einem verallgemeinerten Fatalismus.

Natürlich kann das Karma eine Rolle spielen. Es ist wichtig, über sein Karma nachzudenken. Aber vor allen Dingen ist es wichtig, über das Karma nachzudenken, das wir jetzt schaffen. Welches Karma schaffen wir jetzt, das sich in der Zukunft entwickeln wird? An sein vergangenes Karma zu denken, hilft nicht besonders viel. Im Zen empfiehlt man, sich hier und jetzt zu konzentrieren, kein schlechtes Karma, sondern gutes Karma zu erzeugen – für sich selbst und für die anderen. Deswegen geben wir die Gebote weiter, um dabei zu helfen. Denn hier und jetzt haben wir die Kraft, die Richtung, in die die Dinge gehen, zu ändern.

Wenn Meister Deshimaru sagte: „Dank eines vergangenen guten Karmas habt ihr dem Zen begegnen können.“, stimmt das mit Sicherheit. Aber es gibt viele Menschen, die in diesem Leben dem Zen begegnet sind, aber nur wenige, sehr wenige, haben weitergemacht. Viele Menschen, die diese Möglichkeit aufgrund eines guten vergangenen Karmas hatten, haben diese Gelegenheit vergeudet. Das zeigt, was das Wichtigste ist: Was machen wir hier und jetzt mit den Elementen, die uns vom Karma, vom Leben gegeben worden sind?

Niemals sollte man, wenn andere leiden, sich sagen, dass das an ihrem Karma liegt und ihr Pech sei.

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Wenn ich die buddhistische Unterweisung richtig verstehe, bedeutet kein Karma schaffen nicht, dass man nicht handelt.

Es gibt Handlungen, die kein Karma schaffen. Das sind Handlungen, die nicht von einer bestimmten Absicht geleitet sind, mit einem moralischen Hintergedanken, das Gute oder das Schlechte zu tun.

Das knüpft an das an, was ich dazu sagte, was es heißt, ohne Ego zu handeln. Mit Ego zu handeln heißt aus der Idee heraus zu handeln, die man sich von sich selbst macht. Mit Ego handeln heißt auch, mit Absicht handeln, mit einer guten oder einer schlechten Absicht. Das ist es, was das Karma auslöst. Mit einer Absicht handelt man, wenn man im Dualismus funktioniert, wenn man in einem persönlichen Bewusstsein handelt und immer in den Kategorien von gut und schlecht denkt.

Hat man sich daran gewöhnt, Zazen zu praktizieren, denkt man weniger in den Begriffen von gut und schlecht, sondern man gibt seine persönlichen Anhaftungen auf – seine Gier, seine Neigung zu hassen, abzulehnen. Dann kann man auf eine natürliche Weise, ohne dass man denkt: ‚Ich muss das Gute tun’ oder ‚Ich muss das Schlechte vermeiden’, ‚Ich muss gut handeln, um ein gutes Karma, um gute Verdienste zu haben’. Nach und nach verhält man sich ganz natürlich, ohne zu berechnen, ohne die Absicht Gutes zu tun oder Schlechtes zu vermeiden. Auf natürliche Weise wird das Schlechte nicht begangen. Das ist jenseits unserer Absicht, einfach deshalb, weil man das Schlechte nicht mehr begehen kann.

Das ist die Unterweisung von Shoaku Makusa, ausgehend von einem Satz von Ananda, der sagt: „Nichts Schlechtes wird begangen, alles Gute wird auf natürliche Weise praktiziert.“ Einfach deshalb, weil unsere egoistischen Tendenzen aufgegeben wurden. Jemand, der völlig beseelt vom Hishiryo-Geist von Zazen lebt, macht auf natürliche Weise das Gute, ohne das Gute machen zu wollen und das Schlechte vermeiden zu wollen. Er schafft kein Karma, denn es steht keine Absicht dahinter, es ist spontan und natürlich.

Das ist die Handlungsweise der Menschen, die völlig von ihren Bonnos befreit sind und die man Arhats nennt. Ein Arhat hat seine karmischen Tendenzen völlig gereinigt, insbesondere die Tendenz zu Gier und Hass. Er handelt nicht aus Gier und Hass heraus, sondern spontan und aus einem reinen Geist, mit einem mitfühlenden, wohlwollenden Geist. Daran denkt er noch nicht einmal. Er kann nichts Schlechtes tun. Selbst wenn man ihn provoziert, kann er nichts Schlechtes tun. Das ist eine Möglichkeit, ohne Karma zu handeln.

Ich denke, gutes Karma schaffen ist nicht schlecht, aber kein Karma schaffen ist besser.

Ja. – Ein Bodhisattva, der bewusst die Paramita und die Gebote praktiziert, also das Gute tut und Verdienste ansammelt, legt unablässig das Gelübde ab, diese Verdienste anderen zu geben. Er behält diese Verdienste nicht für sich, sondern gibt sie anderen. Gutes Karma ist also eine Gelegenheit, Fuse zu praktizieren. Denn man kann die Verdienste, die man aus seinem guten Karma erhält, anderen widmen. Demgegenüber gibt es viele Leute, die das Gute nur tun, um ins Paradies zu kommen oder eine gute Wiedergeburt zu haben. In diesem Augenblick werden die guten Verdienste aufgrund des dahinter stehenden Egoismus völlig verschwendet.

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Gehört der Glaube an Reinkarnation und Karma zu unserer Praxis?

Das war das Erste, wozu Buddha Shakyamuni erwachte. Es ist also wichtig. Aber er erwachte dazu als zu einer Wirklichkeit. Während er Zazen machte, sah er seine früheren Leben ganz klar. Für ihn war das kein Glaube. Diese Erfahrung, diese Vision, hat ihn die Karma-Theorie entwickeln lassen, die im Buddhismus wichtig ist. Sie besagt, dass wir die Erben unserer vergangenen Taten sind. Aus diesem Grund sind wir verantwortlich für unser aktuelles Leben. Wenn man die Ursachen versteht, die dazu geführt haben, dass wir jetzt so sind, wie wir sind, und sich dann auf die rechte Praxis konzentriert, kann man diese Ursachen und Bedingungen ändern und sich weiterentwickeln.

Was man den Glauben ans Karma nennt, bedeutet eigentlich, anzuerkennen, dass nichts durch Zufall passiert. Alles, was uns ausmacht, ist Ergebnis von Ursachen und Bedingungen. Wir sind die Frucht von Wechselbeziehungen. Diese Wechselbeziehung hört nicht mit dem Tod auf. Sie geht weiter. Buddha beharrte darauf, dass man keinen nihilistischen Standpunkt einnehmen soll, so wie die Materialisten, die glauben, dass alles in dem Moment beendet ist, wenn man stirbt. Aber er beharrte auch darauf, das man keinen Ewigkeits-Standpunkt annehmen sollte. Es gibt keine Ego-Substanz, die immer weiter besteht. Das, was wiedergeboren wird, ist nicht identisch mit dem, was vorher war. Es ist die Folge, die Weiterführung eines Karmas.

Wenn man diese Erfahrung nicht gemacht hat, muss man nicht daran glauben, denn der Buddhismus gründet nicht auf Glauben. Aber man muss einen Standpunkt bezüglich der Dinge entwickeln, die man noch nicht erfahren hat, Dinge, die unerklärlich zu sein scheinen, zum Beispiel: „Was war vor der Geburt?“, „Was passiert nach dem Tod?“ - Ich glaube, Buddhas Standpunkt der karmischen Kausalität, ist ein guter Standpunkt. Denn es ermutigt zur Verantwortlichkeit und regt den Wunsch zur Weiterentwicklung an. Das ist das Gegenteil von Fatalismus und Nihilismus.

Was erzeugt das, was man denkt, in uns? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich in Karma-Begriffen denke, diese Gedanken anregend sind. Ich sehe das Karma nicht als Fatalismus an. Ich ermutige die Menschen, die mit mir praktizieren, diese Sichtweise der Welt anzunehmen. Aber ich möchte sie nicht aufzwingen. Ich zeige nur das Verdienst, die Dinge auf diese Art und Weise zu sehen. Meine Rolle als Godo ist es, die rechte Praxis zu zeigen, um jedem zu ermöglichen, durch sich selbst die Wahrheit zu erfahren.

Bei dem, was man nicht direkt erfährt, kann man einem Weisen wie Shakyamuni vertrauen, oder man bleibt in einer agnostischen Haltung. Aber die ist nicht sehr anregend.

Das wichtigste im Zen ist, – und das kann man erfahren –, die Kausalität im gegenwärtigen Leben zu sehen, die Auswirkungen unserer Gedanken, unserer Worte, unserer Handlungen in diesem Leben zu sehen, und zu sehen, wie wir jeden Tag, sogar jeden Augenblick abhängig von unseren Gedanken, von unserem Geisteszustand, transmigrieren. Die Zen-Praxis bedeutet, sich hier und jetzt zu konzentrieren: „In welcher Welt lebe ich, hier und jetzt, abhängig von meinem Geisteszustand?“, „Wie erzeuge ich mein Leben in jedem Augenblick?“ Das ist wichtig. - Vor der Geburt, nach dem Tod ... Man kann nicht vermeiden, darüber nachzudenken. Aber das ist nichts, an das man sich klammern sollte. Wichtig ist, was hier und jetzt passiert. Darauf konzentrieren wir uns im Zen. Nicht nötig, sich über Vorher und Nachher Gedanken zu machen. Wenn man in jedem Augenblick eine rechte Praxis hat, wird all das, was vorher falsch war, richtig. Und wenn man jetzt eine rechte Praxis hat, wird all das, was danach kommt, von dieser Praxis beeinflusst werden. Daher konzentriert man sich nur auf das, was im Augenblick wichtig ist.


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