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Fragen und Antworten

 

MAKROKOSMOS-MIKROKOSMOS

 

Du hast gesagt, dass man im Tendai-Buddhismus die Wesen quasi als Mikrokosmen sieht, die miteinander in Resonanz stehen und zusammen den Makrokosmos bilden. Du selber verwendest oft das Beispiel, dass die Wesen wie Wellen im Meer sind, die auf der Oberfläche entstehen, aufsteigen, sich am Strand brechen und dann wieder ins Meer zurückfließen. Das heißt, sie sind Meer, sie kommen aus dem Meer, fließen wieder zurück ins Meer und sind nie vom Meer getrennt. Ist es richtig, dass diese beiden Sichtweisen sehr verschieden sind?

Für mich ist das nicht sehr unterschiedlich. Jedes Wesen hat in sich selbst die Natur, die alle anderen Wesen haben. Genau so wie jede Welle die gleiche Natur hat wie der ganze Ozean. Das, woraus sich die Welle zusammensetzt, und das, woraus sich der ganze Ozean zusammensetzt, unterscheidet sich nicht.

Was heißt, dass jeder Mikrokosmos den Makrokosmos in sich einschließt?

Das ist ein Bild, das man nicht auf der physikalischen Ebene betrachten sollte. Es geht nicht darum, dass das ganze Universum in einem Reiskorn enthalten ist. Aber die Gesetze, die die Existenz eines einzelnen Reiskorns regieren, sind die gleichen Gesetze, die das ganze Universum regieren. Das, was unsere Existenz ausmacht, ist auf einer grundsätzlichen Ebene nicht etwas anderes als das, was auch die Existenz der anderen Wesen, der Berge und der Tiere ausmacht. Natürlich gibt es Unterschiede. Aber jenseits dieser Unterschiede werden wir von den gleichen Gesetzen in unserer Existenz getragen.

Ein Kosmos kann für sich alleine bestehen. Während die Wellen immer miteinander, nie getrennt sind.

Das ist das Problem, wenn man Bilder und Metaphern gebraucht. Wenn man sich an Bilder und Metaphern klammert und sie vergleicht, wird das Ganze kompliziert. Diese Bilder wollen uns einfach nur verstehen lassen, dass die wirkliche Natur unserer Existenz von der Existenz aller anderen existierenden Wesen weder unterschieden noch getrennt ist. Prinzipiell sind wir alle von der wechselseitigen Abhängigkeit regiert, also unbeständig und ohne getrenntes Selbst. Das gilt für alle Existenzen.

Vielleicht überlegst du, ob ein Kosmos, weil er ja eine Totalität umfasst, möglicherweise diesen Gesetzen entkommt. Denn ein Kosmos hängt nicht von anderen Kosmen ab. Da dringt man in metaphysische Fragen ein. Das ist nicht Ziel unserer Praxis, selbst wenn ich sehr gut verstehe, dass man solche metaphysischen Fragen haben kann.

Wenn man von ‚Kosmos’ spricht, meint man normalerweise die Totalität all dessen, was existiert. Aber alles, was existiert, funktioniert in den Gesetzen der wechselseitigen Abhängigkeit. Im Kosmos gibt es diese Gesetze. Deswegen ist der Kosmos kein Chaos, sondern eine Ordnung.

Du stellst dir den Kosmos begrenzt vor. Das wurde schon durch die Geste klar, als du den Kosmos rund wie einen Erdball dargestellt hast. Es ist gar nicht gesagt, dass das so ist. Der Kosmos als Totalität muss keine begrenzte Totalität sein. Die Totalität kann sich z.B. konstant ausdehnen. In der gegenwärtigen kosmologischen Diskussion ist man der Auffassung, dass sich unser Universum ausdehnt. Man kann über all diese Fragen träumen, aber wir sollten das zu unserer konkreten Erfahrung zurückführen: Wenn wir in uns selbst schauen, sehen wir, dass die Gesetze, die wir über die Funktionsweise entdecken, die gleichen Gesetze sind, die das Leben von Wolken, Himmel, Sternen, Galaxien, Vögeln und Bäumen regieren.

Deswegen kann man sagen, dass all diese Wesen, die durch dieselben Gesetze belebt werden, uns die Wirklichkeit zeigen und dass daher alle Wesen an der gleichen Natur Anteil haben, dass daher alle Wesen zu dieser Natur erwachen können, weil wir bereits diese Natur sind. Alle Unterweisungen Buddhas und des Buddhismus im Allgemeinen haben nur zum Ziel, dieses Erwachen zu ermöglicht. Es geht nicht darum zu spekulieren, ob es einen Kosmos oder mehrere Kosmen gibt und ob ein Kosmos alle Kosmen umfasst und ob das Universum begrenzt oder unbegrenzt ist. Das sind Fragen, die Buddha als unnütz angesehen hat. Das heißt nicht, dass man sich diese Fragen nicht stellen kann. Aber wenn man sich mit diesen Fragen befasst, wendet man sich von Dingen ab, die viel konkreter und wichtiger sind, nämlich wie wir das Leiden beenden können.

 


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